Eine der häufigsten Streitpunkte bei der Schadensregulierung ist die Kürzung der Stundenverrechnungssätze durch die Versicherung. In diesem Artikel erklären wir Ihnen, was Stundenverrechnungssätze sind, warum Versicherungen diese kürzen und wie Sie sich dagegen wehren können.
Was sind Stundenverrechnungssätze?
Stundenverrechnungssätze sind die Kosten, die eine Werkstatt pro Arbeitsstunde für Reparaturen berechnet. Diese Sätze können je nach Art der Werkstatt (z.B. Markenwerkstatt oder freie Werkstatt), Standort und Art der Reparatur variieren. Nach einem Verkehrsunfall sind die Stundenverrechnungssätze ein wichtiger Faktor bei der Berechnung der Reparaturkosten.
Warum kürzen Versicherungen die Stundenverrechnungssätze?
Versicherungen kürzen oft die Stundenverrechnungssätze, um die Gesamtkosten der Schadensregulierung zu senken. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Versicherung der Ansicht ist, dass die in einem Gutachten angegebenen Sätze zu hoch sind oder dass die Reparatur in einer günstigeren Werkstatt durchgeführt werden könnte. Ein häufiger Streitpunkt ist dabei die Differenz zwischen den Sätzen von Markenwerkstätten und freien Werkstätten.
Rechtslage und Ihre Rechte
Laut Rechtsprechung haben Geschädigte grundsätzlich das Recht, ihr Fahrzeug in einer Werkstatt ihrer Wahl reparieren zu lassen. Das bedeutet, dass sie auch Anspruch auf die Erstattung der tatsächlichen Reparaturkosten haben, inklusive der Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt. Allerdings versuchen Versicherungen oft, die Kosten zu drücken, indem sie auf günstigere Alternativen verweisen.
Ein entscheidendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) besagt, dass Versicherungen die Stundenverrechnungssätze nur dann kürzen dürfen, wenn sie nachweisen können, dass die Reparatur in einer günstigeren Werkstatt gleichwertig und zumutbar ist (BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt verweisen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Jedoch ist eine Reparatur in einer freien Werkstatt laut BGH unzumutbar, wenn das beschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Diese Voraussetzung trifft in unserem Fall zu. Das Fahrzeug unserer Mandantschaft war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht älter als drei Jahre. Aus diesem Grund ist der vorliegende Werkstattverweis ungültig.
Stundenverrechnungssätze, Zugänglichkeit ohne erheblichen Aufwand
Die von der Versicherung benannte Referenzwerkstatt muss für den Geschädigten ohne weiteres zugänglich sein, BGH, Urteil vom 28.04.2015-VI ZR 267/14. Anhaltspunkt für die örtliche Lage einer markengebundenen Fachwerkstatt ist der Wohnsitz des Geschädigten. Wenn die alternative Fachwerkstatt für den Geschädigten erheblich weiter entfernt liegt, als die markenbezogene Fachwerkstatt, muss er sich grundsätzlich auf diese nicht verweisen lassen.
Entfernung Referenzwerkstatt
Ein erheblicher Mehraufwand kann dabei je nach den geographischen Besonderheiten des Einzelfalles in der Stadt bei einer Fahrt von 5-15 km, auf dem Land in der Regel erst ab 20 km gesehen werden:
Landgericht Hagen vom 15. März 2012, 7 S 11/12 = 13 km zumutbar
Amtsgericht Frankfurt am Main vom 29.01.2016, 32 C 3096/14 (72) = 15 km Entfernung unzulässig.
Amtsgericht Solingen vom 06.12.2010, 13 C 216/10 = 11,25 km unzumutbar, weil eine markengebundene Fachwerkstatt in geringerer Entfernung vorhanden.